Zur Zeit gibt es 17 Einträge
Home
Nach Stichwort suchen min. 3 Buchstaben
Krimmi Blue Hole / von Harry T.net

Originalbericht: http://www.taucher.net/berichte/bericht.html?nummer=406

Krimi im Blue Hole?

Am 20. April 2007 führte der bekannte Tekk-Taucher Matthias Pfister einen Videotauchgang mit seinem RON Rebreather am "Blue Hole" bei Dahab am Roten Meer durch. In einer Tiefe von 136 Metern entdeckte er die Leiche eines Tauchers, die er zur Dokumentation filmte. Die Lösung eines großen Rätsels sollte so beginnen, aber ein völlig unerwartetes Ende finden...

Rückblick:
Am 10. Januar 2007 tauchte Karl M. aus Söding in Österreich mit seinem langjährigen Buddy Anton Z. am "Blue Hole" bei Dahab im Roten Meer. Dieser Tauchgang führte wahrscheinlich in (sehr) große Tiefe. Offiziell – lt. Polizeiprotokoll - aber nur bis maximal 35 -39 Meter...

Beide Taucher kannten den Tauchplatz sehr gut, doch irgendwann während dieses verhängnisvollen Tauchgangs verlor Anton Z. seinen Tauchpartner. Als er nach kurzer Suche nicht auffindbar war, tauchte er kontrolliert auf und gab Alarm. Bei den darauf folgenden Suchaktionen wurde der Vermisste nicht gefunden. Viele Umstände des ominösen Tauchgangs blieben im Dunkeln und wilde Spekulationen machten die Runde.

Das Blue Hole in Dahab:
Ein kreisrundes Loch im Riffdach, genauer eine eingestürzte großräumige Karsthöhle mit einem Durchmesser von etwa 100 Meter und einer Tiefe von 90 Metern.


An der Außenseite befindet sich zwischen 53 und 90 Metern der „Arch", ein Durchbruch ins freie Meer. Dieser Torbogen zieht viele Taucher magisch an.
Der sandige Grund fällt weiter ab bis zu einer Kante bei ca. 150 m, wo es auf ca. 250 m geht. Diese Topologie sollte uns in Erinnerung bleiben...

Das „Blue Hole" ist einer der berühmtesten, aber gleichzeitig auch berüchtigtsten Tauchplätze am Sinai. Ein Tauchplatz der jedes Jahr Menschenleben kostet. Ursache ist fast immer ausschließlich Selbstüberschätzung und wahrlich tödlicher Leichtsinn. Der nicht mehr wieder aufgetauchte Taucher wurde amtlicherseits seither als vermisst geführt. Traurige, inoffizielle Bilanz 2007: 19 Tote, davon zum größten Teil Tek-Taucher und überwiegend osteuropäischer Nationalität.

Offizielle Angaben sind hier wie so oft "geschönt" um den Ruf der Region als sicheres "Fun Dive Paradies" nicht zu schädigen.

Der Fund:
Gut drei Monate nach dem verhängnisvollen Tauchgang von Karl M. und Anton Z. führte Matthias Pfister, ein sehr erfahrener Tec-Taucher aus Deutschland, einen Filmtauchgang für ein Werbevideo zu seinem PSCR RON am Blue Hole durch. In einer Tiefe von 136 Metern entdeckte er eine ihm unbekannte, auf dem Bauch liegende Leiche, die er zur Dokumentation filmte. Leichenfunde in sehr großen Tiefen sind hier keine Seltenheit. Die Lösung eines großen Rätsels sollte in diesem Fall aber beginnen...

Matthias gehört dem PDA Exploration Team an, das weltweit Tiefsttauchgänge durchführt.
Er erzählte kurz danach seinem Tauchkollegen Rudy Reinisch vom Fund der Leiche: Dieser erinnerte sich sofort an den Vermissten aus seiner steirischen Heimat.

Die Identifikation:
Die Videoaufnahmen waren schnell an Rudy übermittelt. Mit Hilfe der Familie des Vermissten und dessen Tauchpartner konnte die unbekannte Leiche rasch und eindeutig anhand der Ausrüstung (blauer Camaro Anzug, Sepadiver Tec-Jacket mit Schrittgurt, unverwechselbare Automatenmontage (Scubapro) aufrecht hinten an der Flasche stehend montiert, Sender Tauchcomputer, Bleigewichte doppelt am Gurt) identifiziert werden und es wurde Gewissheit. Karl M. ist tot - aber zumindest seine Leiche wurde gefunden!

Rudy und der vermisste Taucher wohnten nur wenige Kilometer von einander entfernt in der Steiermark, kannten einander aber nicht persönlich. Trotzdem sollte das Schicksal die beiden Männer jetzt zusammenführen...

Die Bergung verunglückter Taucher aus sehr großen Tiefen erfolgt oft nicht, da:
- Eine Suche nur Sinn macht, wenn der Ort der Leiche ziemlich exakt bekannt ist
- Nur sehr wenige Taucher Erfahrung und Ausrüstung besitzen, im dreistelligen Tiefenbereich zu suchen
- Suche und Bergung und Überführung sehr aufwändig und teuer (weit über 10.000€) sind
- Die Bergung einer unbekannten Leiche selten bezahlt wird und schlimmer noch - enorme behördliche Probleme und Formularkriege bewältigt werden müssen.

Rechtliche Erfordernisse für eine Bergung:
Unbedingt notwendig ist in so einem Fall natürlich die Zustimmung der zuständigen ägyptischen Behörden. Zudem waren für die Überführung der Leiche nach Österreich alle relevanten gesetzlichen Bestimmungen zwingend einzuhalten. Auch hier war die Unterstützung und Koordination durch Konsul Ferner von der österreichischen Botschaft in Kairo sowie das österreichische Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten unerlässlich.

Anfang Mai waren alle Vorbereitungen erfolgreich abgeschlossen und alle behördlichen Genehmigungen erteilt. Das Bergungsteam flog samt 450 kg Gepäck nach Sharm el-Sheikh. Hier standen unter anderem Übungen mit einem Leichensack am Programm. In einer Tiefe von 136 Metern musste alles wie am Schnürchen klappen, um die fest geplante Grundzeit einhalten zu können! Anschließend verlegte das Team die Einsatzbasis an den Ort Dahab.


Die geplante Bergung:
Tauchgang 1:
Tiefe 140 Meter Grundzeit: 36 Minuten, Gesamttauchzeit 7 Stunden
Team 1 taucht bis in 136 Meter Tiefe zum Leichnam, entfernt die Ausrüstung und packt die sterblichen Überreste in einen Leichensack. Der Leichensack verbleibt vorerst in dieser Tiefe. Die geborgenen Ausrüstungsteile, die sichergestellt werden mussten, werden bis in eine Tiefe von 80 Meter gebracht. Dort wird die Ausrüstung an Team 2 übergeben, das diese anschließend auf 35 Meter an Team 3 übergibt. Team 1 wird hier auch später mit Getränken und Gelnahrung für die anstehende Dekompressionsphase versorgt. Nach einer Tauchzeit von etwa 7 Stunden kann auch Team 1 auftauchen.

Tauchgang 2:
Nach einem tauchfreien Tag folgt dann der Tauchgang, bei dem die Leiche geborgen wird. Schema wie Tauchgang 1.
Sämtliche Aktionen und Manipulationen an der Leiche werden bei beiden Tauchgängen auf Video dokumentiert.

Der Leichnam soll an der Oberfläche von den ägyptischen Behörden übernommen und zur Obduktion und Identifizierung nach Sharm el-Sheikh gebracht werden. Nach der behördlichen Freigabe sollte der Leichnam nach Österreich überführt werden.

Aber erstens kommt es anders- zweitens als man denkt...
Der geplante Bergungstauchgang wurde am 10. Mai exakt wie geplant begonnen.
Aber eine böse Überraschung wartete auf das Bergungsteam!

Die Leiche des verunglückten Tauchers war verschwunden. Trotz großer Überraschung wurde etwas weiter gesucht - vorerst vergeblich!
Das Bergungsteam begann den langen Aufstieg in die Dekompressionsstufen.

Nach einem Entsättigungstag wurde am 12. Mai ein zweiter Tauchgang gestartet um die verschwundene Leiche zu suchen und ggf. zu bergen.

Tauchgang 2:
Tiefe 146 Meter Grundzeit: 36 Minuten, Gesamttauchzeit 7 Stunden

Die Taucher wurden diesmal in einer Tiefe von 140 Metern teilweise fündig! Die Taucherbrille und der Computer des Vermissten wurden hier gefunden.


Ansonsten blieb die Suche ergebnislos! Bei Sichtweiten von etwa 40 Metern wurde so der Tiefenbereich bis mindestens 180 Meter überblickt, aber dennoch keine Leiche entdeckt.


Was konnte geschehen sein?
Der Platz stimmte sicher, da sich wenige Meter entfernt Fuß samt Flosse und auf 120 Meter die Leiche einer hier vor Jahren verunglückten polnischen Taucherin befindet. Auch sind die auf dem Fundvideo erkennbare Stelle, an der die Leiche gefunden wurde (charakteristischer Fels und Graben) mit diesem Ort identisch. (Nur eben ohne Leiche...)


Strömung konnte es nicht sein, weil die Leiche seit Monaten gut im Strömungsschatten lag. Haie: Nach vier Monaten im Meer war selbst für einen hungrigen Hai nicht mehr viel zu holen. Zudem stellen Tauchanzug und -ausrüstung hier Fraß-Hindernisse dar, von denen man zumindest Spuren erkennen müsste.

Dass ein hungriger Meeresbewohner oder eine Strömung involviert war, scheint unwahrscheinlich zu sein. Möglicherweise war aber jemandem sehr daran gelegen, dass die Leiche und eventuelle Beweise für immer verschwinden? Einiges deutet darauf hin, dass die Leiche in noch tieferem Wasser wohl für immer verschwinden musste...

WARUM?
Tauchen in Blue Hole ist normalerweise nur mit einem Guide erlaubt.
Nur mit diesem gibt es auch die Genehmigung an den Einstieg zu gelangen.
Normalerweise.
Bakschisch und Connections haben die Angelegenheit vielleicht anders aussehen lassen... Speziell wenn ein Tauchgang in SEHR große Tiefe geplant ist, bei dem kein Guide mit normaler Pressluft mittauchen würde...

Zur Erinnerung:
In Ägypten gibt es eine quasi-gesetzliche Vorschrift, dass mit Luft nicht tiefer als 40 Meter getaucht werden darf!
Trimix-Tauchgänge werden über Genehmigungen abgewickelt, die eine Ausnahme davon darstellen. In der Regel haben spezielle Basen mit Trimix-Angebot Dauerausnahmen für ihre Kunden.

Viele Fragen…
- Über welche (Sonder) Genehmigung lief dieser Tauchgang ab?
- Von derselben Person die in einer Nacht Ende April oder Anfang Mai zu einem geheimnisvollen Tauchgang aufbrach?
- Hat diese Person wegen oa. Genehmigung möglicherweise spezielle Verbindungen zur regionalen Politik und/oder Polizei?
- Warum war keine ägyptische Polizei und Staatspolizei wie geplant vor Ort?
- Warum war sich offenbar jeder Insider hinter vorgehaltener Hand schon sicher, dass die Bergung erfolglos bleiben würde...? (Stichwort: "Küstenklatsch")
- Warum gab es nach dem erfolglosen ersten Tauchgang hinter vorgehaltener Hand bereits Hinweise, wo die Maske zu finden sei?
- Was wusste der Eigentümer der Mietflasche des toten Tauchers über den Tauchgang?


- Warum wurde im Polizeiprotokoll angegeben, nur bis maximal 39 Meter getaucht zu sein, wenn der Tauchgang (offenbar) tatsächlich etwa dreimal so tief führte?
- Warum wusste Dr. Adel Taher nichts von einem Unfall/Alarm?
- War Karl M. tatsächlich Tauchtrainer (und somit Guide) der Tauchschule, oder ist dies eine Schutzbehauptung von Tarek Mahmoud O.?
- Viele Fragezeichen....

Wird dieses Rätsel wohl jemals gelöst werden können? Solange all diejenigen, die es zumindest teilweise lösen könnten, den Mund halten (müssen) wohl kaum!

Wie geht es weiter?
Die gefundene Maske wird derzeit nach verwertbaren DNA Spuren untersucht, die zum vermissten Taucher passen könnten. Der Tauchcomputer wird bei UWATEC ausgelesen.
Dieser mysteriösen Fall wird mit Sicherheit weiter verfolgt!

Anhang:
Team 1 (140m+):
Matthias Pfister (D)
Maxim Vasiljev (LT)
Ausrüstung:
PSCR RON

Gase:
Bodengas:
TX 10/70 von 80 MSW – 150 MSW und wieder bis 81 MSW
Travel Mix 2 und erstes Dekogas:
TX 15/55 von 40 MSW – 80 MSW und ab 81 MSW bis 45 MSW
Travel Mix 1 und zweites Dekogas:
TX 30/40 von 0 MSW – 40 MSW und wieder ab 45 MSW
Drittes Dekogas: TX 50/25 ab 21 MSW
Viertes Dekogas: 100 % Sauerstoff ab 6 MSW


Team 2 (80m):
Rudolf Reinisch (A)
Tilman Gerth (D)

Team 3 (35m):
Andrea (I)
Angy (I)

Oberflächenteam:
Miro (LT)
Zine (D)

Anmerkung:
Inzwischen bekannte Details des verhängnisvollen Tauchgangs werden hier aus Rücksicht auf den Verstorbenen und dessen Angehörigen nicht veröffentlicht.
Ebenso keine Bilder oder Filme der Leiche.

Die Gesamtkosten der vergeblichen Bergung betrugen etwa 11.000 € und mussten rein von der Familie des Toten getragen werden. Das gesamte Bergungsteam arbeitet dabei rein auf Selbstkosten und ohne Gewinnabsicht.

BILDER: http://www.tiefeninstitut.at/tauchbilder/websinai2/

Interessante Links:
http://www.ron-ger.de
http://www.pdaww.com
http://www.taucher.net



© 2007 by Harald Mathä
© Bilder by Rudolf Reinisch
© Videos und Videostills by Matthias Pfister
Jeweils mit freundlicher Genehmigung!



















Zurück  Drucken